BARMER-Pflegereport – Zahl Pflegebedürftiger steigt stärker als angenommen

Daniel Oelke, BARMER

Daniel Oelke, BARMER

Daniel Oelke, Regionalgeschäftsführer der BARMER in Hagen, im Gespräch mit unserem Netzwerk mittelstand-südwestfalen.de.

Herr Oelke, die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, wie ernst die Situation im Pflegebereich aktuell ist. Auch für die Zukunft sind die Aussichten düster. Die Menschen werden immer älter und überall fehlt Pflegepersonal. Rollt eine Pflege-Lawine auf uns zu?

Der Pflegenotstand in Deutschland wird nach neuesten Hochrechnungen der BARMER brisanter als bisher angenommen. In unserem neuen Barmer-Pflegereport haben wir prognostiziert, dass im Jahr 2030 rund 6 Millionen und nicht 5 Millionen Menschen pflegebedürft sein werden. Diese Zahl von mehr als 1 Million zusätzlicher pflegebedürftiger Menschen stellt eine besondere Herausforderung für die Pflege dar.

Wie schätzen Sie die Situation in den Pflegeheimen bis 2030 ein?

Nach unseren Prognosen werden in weniger als zehn Jahren knapp drei Millionen Pflegebedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen gepflegt und damit rund 630.000 mehr als im Jahr 2020. Zudem wird es insgesamt eine Million Menschen vollstationär und 1,17 Millionen durch ambulante Pflegedienste versorgte Menschen geben. Dies entspricht einem Anstieg um gut 200.000 Betroffene (+26 Prozent) in Pflegeheimen und 165.000 Personen, die ambulant versorgt werden (+16 Prozent). Schon heute wissen wir, dass Pflegekräfte überall fehlen. Wir sind in Deutschland auf dem besten Wege, in einen dramatischen Pflegenotstand zu geraten. Um diesen abzuwenden, muss die künftige Bundesregierung vor allem die Ausbildung attraktiver machen. Es muss mehr Nachwuchs für die Pflege gewonnen werden, wenn wir die Menschen gut versorgen möchten.

Wie kann der Pflegedarf in Zukunft gedeckt werden?  

Wir sind froh, dass die neue Regierung in ihrem Koalitionsvertrag das Thema Pflege in den Vordergrund gerückt hat. Das ist wichtig, denn sonst bleibt die Pflege eine Großbaustelle und die Menschen können nicht adäquat versorgt werden. Im Koalitionsvertrag stehen dazu einige richtungsweisende Vorhaben. Das begrüßen wir ausdrücklich! Nun muss rasch die Umsetzung angegangen werden. Aus unserer Sicht wird der Finanzbedarf von heute 49 Mrd. Euro im Jahr 2030 auf 59 Mrd. Euro steigen. Neben den finanziellen Herausforderungen muss der Pflegeberuf vor diesem Hintergrund deutlich attraktiver werden. Daher ist wichtig, geteilte Dienste abzuschaffen und den Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten einzuführen. Außerdem muss mehr getan werden, um die Belastungen dieser enorm anstrengenden Arbeit abzufedern. Darüber hinaus fordern wir eine bessere Vergütung und eine attraktive Ausbildung, damit sich mehr junge Menschen für einen Pflegeberuf entscheiden.

Viele Menschen haben Angst, im Alter durch ihre Pflegebedürftigkeit in Armut zu rutschen. Wie steuert die Politik dagegen?

Finanzielle Überforderung im Pflegefall ist in der Tat ein Thema, das dringend gelöst werden muss. Die künftige Bundesregierung will die Pflegebedürftigen mittelfristig in Bezug auf die steigenden Eigenanteile in der stationären Pflege entlasten. Dafür ist es wichtig, dass die Bundesländer endlich ihrer Pflicht nachkommen, die Investitionskosten für stationäre Pflegeeinrichtungen zu übernehmen. Dadurch würde bereits eine Entlastung bei den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen erreicht werden. Denn bisher stellen die Pflegeheime dies in der Regel den Bewohnerinnen und Bewohnern in Rechnung. Zudem sollten die Leistungsbeträge der sozialen Pflegeversicherung einmalig angehoben und dann regelmäßig dynamisiert werden. Die für den Jahreswechsel geplante Anhebung der Pflegesachleistungsbeträge sowie die Einführung eines Leistungszuschlages bei vollstationärer Pflege sind erste wichtige Schritte. Der ab dem kommenden Jahr vorgesehene jährliche Steuerzuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro solle im Gleichschritt mit den jährlichen Ausgaben der Pflegeversicherung ansteigen.

Den kompletten Pflegereport finden Sie unter www.barmer.de/pflegereport

Herr Oelke, vielen Dank für das Gespräch.

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